Aus tiefer Dankbarkeit an die Kinder
In den letzten Jahren hatte ich die große Ehre ein wunderbares Projekt begleiten zu dürfen, in dem ich zusammen mit einem Team Potentialanalysen an Schülern durchführten konnte. Darin ging es darum die Schüler bei unterschiedlichen Aufgaben zu beobachten, in denen sie zum Beispiel handwerkliche oder kreative Aufträge in Einzel – oder Gruppenarbeiten erledigten. Die Aufgabe meines Teams und mir war es, die Schüler objektiv zu beobachten und ihnen anschließend in Einzelgesprächen positive Feedbacks über ihr Potential zu geben.
Ich schreibe diesen Artikel hier und heute über das Potential der Kinder, da ich in diesem Projekt eine Menge magischer und erfüllender Momente erlebt hatte, die mich persönlich tief berührt haben, und ich des Öfteren zu Tränen gerührt war. Ich schreibe diesen Artikel aus tiefer Dankbarkeit, aus Dankbarkeit an meine fantastischen, humorvollen und menschlichen Teamkollegen und aus Dankbarkeit an alle Schüler, die ich einen Schritt auf ihrer Reise durch dieses Sein begleiten durfte. Und tatsächlich … in diesem Moment, da ich diese Worte schreibe kommen mir die Tränen …
Jedes Kind hat Potentiale
Es gibt so Vieles, das ich über die Begegnungen mit den Schülern schreiben könnte, doch möchte ich es lieber auf das Wesentliche reduzieren. Einmal begegnete ich einem Schüler, der als absoluter Außenseiter galt. Natürlich gab es viele sogenannte Außenseiter, nur dieser wurde von der gesamten Schule inklusive Lehrern aufgegeben. Somit hatte er sich auch selbst aufgegeben und machte bei der Potentialanalyse so gut wie gar nicht mit. Bei einer Aufgabe jedoch zeichnete er Mangas (japanische Comics) und das ziemlich brilliant. Im anschließenden Einzelgespräch mit ihm, erzählte ich ihm wie sehr ich von seinen Comics und seinem Talent berührt war und ermutigte ihn in seiner Fähigkeit. Da er sich selbst ja bereits aufgegeben hatte, war er nicht überzeugt von seinem eigenen Talent. Es gab keine Unterstützung aus dem Elternhaus und in der Schule gab es schon seit langem kein Kunstunterricht mehr. Dieses besondere Potential, welches in ihm schlummerte, drohte somit zu verkümmern und gar endgültig zu ersticken. Ein paar Wochen später hatte ich Gott sei Dank noch einmal die Möglichkeit mit dem Schüler ein 30-minütiges Gespräch zu führen. Anstatt über seinen Abschlussbericht der Potentialanaylse zu sprechen, fragte ich ihn was ihn in seinem Leben begeistern würde. Nach einem anfänglich ablehnenden Gesprächsbeginn seinerseits, begann er irgendwann über Japan zu sprechen. Er interessiere sich für die Kultur, die Menschen und besonders für Mangas. Je länger er davon erzählte, desto mehr leuchteten seine Augen. Und dies war er, der magische Moment in dem ein junger Mensch ohne es zu wissen über seine eigene Zukunft und Bestimmung spricht und sein Herz sich öffnet. Und genau das war es was ich ihm sagte. Keiner mochte ihn, keiner glaubte ihm, keiner unterstütze ihn und doch lag ein großer Schatz in ihm verborgen. Ich sagte es ihm direkt und auf norddeutsch: „Scheiß auf alles was andere über dich dich denken, und höre auf dich mit anderen zu vergleichen. Du hast mir gerade deinen Weg aufgezeigt. Folge niemanden anderem, folge deinem Herzen. Du bist anders wie die anderen, und genau das ist dein Potential.“ Auch wenn seine Reaktion zunächst verhalten war, ich bemerkte wie er aus dem Fenster schaute und in ihm Mut und ein Funke Entschlossenheit erwachte. Dann verließ er hoffnungsvoll in sich lächelnd den Raum.
Der Einfluß der Eltern auf ihr Kind
Bei einer anderen Begegnung saßen die Eltern im Abschlussgespräch mit dabei. Dies hatte mich immer besonders gefreut, da die Eltern in den meisten Fällen sehr positiv über das Potential ihrer eigenen Kinder überrascht waren. In diesem Gespräch hatte ich einen sehr rebellischen Jungen vor mir sitzen, dessen Eltern stockkonservativ waren und eine genaue Vorstellung über die Zukunft ihres Sohnes hatten. Ich fragte ihn, was er sich denn vorstellen könne später einmal beruflich zu machen. Er sagte, er möchte im Einzelhandel arbeiten. „Da könne man ganz gut Geld verdienen“, murmelte er vor sich hin. Die Eltern nickten mir dabei wohlwollend zu. Dann drückte ich bei ihm ein paar Knöpfe und erzählte ihm über sein wunderbares Potential, welches ich bei ihm beobachtet hatte. Anschließend frage ich ihn sehr direkt noch einmal: „Und was möchtest du in Wirklichkeit machen?“ Er fing an zu strahlen und sagte mir, dass er viel lieber im Wald arbeiten möchte. Die Eltern schluckten zunächst und sie schluckten noch mehr als ich ihm sagte, dass er seinen eigenen Weg gehen müsse und nicht den Weg den seine Eltern für ihn vorgesehen hätten. Auf wundersame Weise verwandelte sich plötzlich die Haltung der Eltern und sie erkannten, dass ihr Sohn richtig lag.
Die Wiederkehr der Menschlichkeit
In den letzten Jahren hatte ich zahlreiche Gespräche mit hunderten Schülern, bekam Einblicke in verschiedene Schulen, und unterhielt mich mit vielen Eltern und Lehrern. Das Resümee ist ziemlich ernüchternd. Ein Großteil der Schüler, der Eltern und für mich auch überraschender Weise der Lehrer sind nicht zufrieden mit dem Schulsystem. Wobei – nicht zufrieden – sehr milde ausgedrückt ist. Die Schüler quälen sich durch ein Konstrukt, das sich soweit von unserer Menschlichkeit entfernt hat, dass einem die Worte fehlen. Es gab Lehrer, die mich ironisch mit den Worten „Willkommen in unserem Gefängnis Herr Nehls“ begrüßten und es kamen Lehrer zu mir, die mich fragten wie sie besser mit ihren Schülern umgehen könnten.
Im Großen und Ganzen zieht das System alle Beteiligten in die Ohnmacht, die Schüler werden gleichgeschaltet und ihre Potentiale erstickt. Die Lehrer stehen gelähmt, ohne dabei ihr eigenes Potential zu kennen einer übergroßen Schülerzahl gegenüber, versuchen diese mit verstaubten Regelwerken und Bestrafungsmechanismen zu bezwingen, und überfluten einseitig die linken Gehirnhälften der Kinder mit häufig sehr fragwürdigen zurechtgewursteltem Wissen. Hinzu kommt, dass die individuellen Potentiale der Kinder weder erkannt noch gefördert werden.
Es geht mir nicht darum, das Schulsystem an den Pranger zu stellen. Nein, vielmehr geht es mir darum es als Tod zu erklären. Es ist bereits vor vielen Jahren verstorben, da es sich ganz und gar von unserer Menschlichkeit, von unserer Seele und von den Seelen unser Kinder entfernt hat. Doch das ist jetzt vorbei, da die Wiederkehr der Menschlichkeit in uns Menschen neu geboren wird.
Der Zauber in den Augen unserer Kinder
Erinnerst du dich noch an deine eigene Kindheit? Wie du voller Begeisterung die Welt entdeckt hast und einfach nur bei dem Anblick eines Schmetterlings erfreut warst? Du kannst diesen Zauber in den Augen deines Kindes wieder entdecken. Es betrachtet die Welt genauso unschuldig, so voller Neugier, wie du es einst tatest. Warum wollen wir unseren Kindern diesen Zauber nehmen, in dem wir sie weiterhin brechen?
Bei der Potentialanalyse mit den Schülern habe ich festgestellt, dass die allermeisten Schüler sehr positiv überrascht waren von dem Potential welches wir in ihnen erkannten. Besonders bei den Einzelgesprächen blickte ich in strahlende Gesichter, die gestärkt und ermutigt noch unzählige weitere Aufgaben mit uns hätten machen wollen. Über 95% Prozent der Schüler wollten lieber mit der Potentialanalyse weitermachen, als zur Schule zurück zu gehen.
Ein Aufruf an die Herzen der Eltern und Lehrer
– Entdeckt das Potential der Kinder
Dieses Projekt hat mir vieles aufgezeigt. Meine Kollegen und ich konnten den Kindern positive Impulse für ihre eigene Zukunft mitgeben. Auch wenn wir nur kurze Momente mit ihnen hatten, waren diese Momente sehr wertvoll. Ich hatte die Ehre in die Gesichter großer Seelen blicken zu dürfen … und wahrlich, ich habe große Seelen gesehen. Ich erinnere mich an ein junges Mädchen mit wirklich magischen Augen. Wenn sie den Raum betrat, verwandelte sie alleine nur durch ihre Präsenz die Stimmung im Raum und erzeugte eine friedvolle ausgeglichene Atmosphäre. Alle Schüler waren plötzlich viel sanftmütiger im Umgang miteinander.
Es scheint als habe sie einen Teil ihrer Sanftmütigkeit auf mich übertragen, da mir nur alleine bei den Gedanken an ihre Energie mein Herz aufgeht. Und Sanftmütigkeit ist bekanntlich die zweitgrößte Macht neben der Liebe im Universum.
Daher appelliere ich hiermit voller Sanftmut an die Herzen aller Eltern und Lehrer:
Erkennt das Potential eurer Kinder, begleitet sie ein Stück auf ihrer Reise, lasst sie frei und übergebt ihnen die Macht, die ihnen zusteht. Übergebt ihnen die Freiheit und die Fülle, die ihr euch selbst verwehrt habt. Lasst los und übergebt euren Kindern die Zukunft.