Nun warst du da für ein paar Tage in meinem Leben.
Ich sah dich in dieser kargen Landschaft. Das war dein Zuhause.
Und ich musste innehalten. Denn ich habe dich erkannt.
Würde irgendwann jemand kommen?
Jemand kommen so wie ich?
Jemand der dich sieht?
Oder würdest du dieses eine Leben wie es ein Esel leben.
Einen Esel den niemand sieht.
Den niemand sieht, denn wer bist du schon?!
Wer bist du schon in den Augen jener die nicht sehen können?
Du lebst abseits von ihnen. In der Einöde.
Und du bist in ihren Augen nur ein Tier.
Zwar nett anzusehen, aber doch bist du nur ein Esel.
Die Menschen haben Wichtigeres zu tun, als für dich da zu sein.
Sie suchen sich selbst in der äußeren Welt, in der sie sich niemals finden werden.
Sie haben keine Zeit für dich, denn sie haben nicht einmal Zeit für sich.
So kommt ab und zu mal einer vorbei so wie ich heute.
Er lächelt kurz, betätschelt deine Schnauze und dann geht er wieder.
Er wird dich morgen vergessen haben.
Und du wirst noch dein ganzes Leben auf dieser kleinen kargen Wiese verbringen.
Auf der Wiese, die dir nur selten frisches Grass spendet.
Du wirst dort stehen bei Hitze und bei Kälte.
Und doch wirst du dein Leben lang nicht sehen wo du stehst.
Denn du bist blind.
Du bist blind geboren und du wirst eines Tages auf dieser Wiese blind die Welt verlassen.
Ohne jemals deine Mutter und deinen Vater gesehen zu haben.
Du wirst die Wiese auf der du stehst niemals gesehen haben.
Und ab und zu kommt mal jemand vorbei und sagt:“Oh dieser arme Esel, der ist ja blind“.
Und dann geht er wieder und er wird dich am nächsten Morgen vergessen haben.
Und ich stehe jetzt hier und sehe dich.
Und ich sehe in dir etwas, was in der Menschheit verloren ging.
Du bist blind und doch kannst du sehen.
Du siehst tausend mal mehr als alle Menschen zusammen.
Du siehst, dass ich dich sehe.
Und in diesem Augenblick erkenne ich mich.
Und ich habe alles gesehen, was es zu sehen gibt.
Denn ich habe mit deinen Augen gesehen.
Würde die Menschheit nur für einen kurzen Moment dich fühlen.
Würden sie nur für einen kurzen Moment durch deine Augen sehen.
Alles Leid auf diesem Planeten wäre beendet.
Jede Sorge, jede Angst wäre vorbei.
Selbst der Tod wäre überwunden.
Doch sie sehen dich nicht, denn sie sind blind.
Sie sind die Blinden, die dich nicht sehen.
Und wenn sie dich nicht sehen können, werden sie sich selbst niemals sehen.
Und so vergehen die Jahre.
Du wirst alt und deine Zeit wird vergehen.
Dann wirst du sterben und ich werde es auch.
Und wer war noch da und hat dich je gesehen?
Und wer war noch da und wird sich an dich erinnern?
Und eines Tages wird irgendwo im Nirgendwo wieder ein kleiner Esel auf einer Wiese stehen.
Und er wird blind sein.
Und die Menschen gehen an ihm vorbei und sie lächeln.
Und sie werden ihn vergessen.
Es sei denn sie haben es jetzt verstanden.
Es sei denn sie können es jetzt fühlen.
Das große Geschenk das du ihnen gegeben hast.
Der Grund warum du überhaupt gekommen bist um dieses Leben zu ertragen.
Dieses Leben voller Schmerz. In der Einöde im Nirgendwo.
Wenn sie sehen würden was du ihnen abgenommen hast.
Welche Bürde du trägst wie all deinesgleichen.
Wenn sie sehen würden, würden sie nie wieder einem Tier Leid zu fügen.
Wenn sie fühlen würden, würden sie nie wieder dir und deinen Tiergeschwistern etwas antun.
Denn du bist gekommen um uns zu erinnern.
Du trägst das größte aller Geschenke in dir.
Du hast es mir geschenkt und ich reiche es weiter.
An all jene, die wieder sehen wollen.
An all jene, die deine Botschaft verstanden haben und sich durch dich an sich selbst erinnern.
Denn so groß bist du, du kleiner Esel.
Du bringst ihnen dieses bescheidene und doch so einmalige Geschenk.
Ich verneige mich vor deiner Größe und gehe jetzt.
Wir werden uns nicht wie Wiedersehen.
Leb wohl du kleiner großer Esel.
Ich habe dich gesehen.
Und ich habe alles gesehen, was es auf dieser Welt zu sehen gibt.